50 Shades of Grey, oder: Langeweile verpackt in Hochglanztopoi

Ich war im Kino. Ich war im Kino und habe mir DEN Blockbuster dieser Tage angeschaut. Wer jetzt glaubt, die Rede sei von Birdman, einem grandiosen Machwerk über die Idiotie, Verworren- und Verlogenheit der Medienwelt, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen. Denn Birdman habe ich zwar auch gesehen, aber hier und jetzt geht es um einen anderen Film, nämlich 50 Shades of Grey.

Ja, auch mich hat die Neugier gegenüber dem überschäumenden Hype der letzten Tage gepackt. Ähnlich war es damals bei den Büchern. Obwohl ich von Anfang an wusste, dass mich jenseits der Buchdeckel bei Weitem keine intellektuellen Höhenflüge erwarten würde, habe ich mir Band 1 gekauft, fleißig gelesen, aus Langeweile irgendwann die stetig gleichen Sexszenen überblättert und nach der Hälfte von Band 2 angesichts der ewig wiederkehrenden Redundanz auf gefühlten 10.000 Seiten schließlich ganz das Handtuch geworfen. Schon verstanden, die Beziehung zwischen Anastacia Steele und Christian Grey ist ein permanentes Auf- und Ab. Ein Chaos der Gefühle, bei dem es ständig um den Zwiespalt zwischen Distanz und Nähe geht. Klar spricht das, die ganze Palette menschlichen Emotionsvermögens an, doch mal ehrlich, dazu brauche ich keinen dreibändigen Epos. Um solche Geschichten zu erleben, muss ich mich nur in meiner Generation umschauen und/oder wahlweise bei einer Falsche Wein einen Abend in einer beliebigen Küche meines Freundeskreises verbringen. Die Querelen der Liebe und das damit einhergehende Leiden des Liebenden ist wahrscheinlich so alt, wie die Menschheit selbst. Bereits der gute alte Goethe hat seinen Werther auf unschlagbare Weise in die Verzweiflung getrieben. Und ohnehin ist das Unvermögen Nähe zu einem anderen Menschen tätsächlich zuzulassen meiner Meinung nach ein grundlegendes Problem unserer Gegenwart. So bitter das auch klingen mag.

Aber zurück zum Thema, nämlich zum Film. Knappe 125 Minuten später stellt sich mir die Frage, was das Geschehen auf der Leinwand da jetzt eigentlich für einen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Mein Resümee: Eigentlich so gut wie keinen, dafür aber irgendwie einen ziemlich faden Beigeschmack.

Von Anfang an stand bei dem Film die Frage im Raum, wie will man diese Story eigentlich auf die Leinwand bringen. Die Tatsache, dass es hier irgendwie um SM-Sex gehen soll, schien doch einfach zu verrucht für das Mainstream-Kinopublikum und vor allem den amerikanischen Markt. Doch, was viele dabei von Anfang an vergessen haben, auch im Roman erschöpfen sich die vermeintlich wilden Fantasien der mit einem Synonym agierenden Schreiberin schnell in klischeehaftem Gefummel, die Kleider vom Leibreißen, und ein paar Mal rein-raus, ehe des „sich ergießen“ (wörtlich so im Buch verwandt) des Mannes in der Frau. Aufgepeppt durch ein paar Sexspielzeuge und Peitschenhiebe ist das Treiben der beiden Figuren dagegen aber mindestens so revolutionär und umstürzlerisch wie eine Tasse Kaffee am Sonntagnachmittag. Vielmehr verbirgt sich hinter der vermeintlich erotischen Fassade letzten Endes nichts anderes als ein neoliberal-konservatives Liebesmodell, bei dem es mir fast schon den Magen umdreht. Und was noch schlimmer ist: Durch das Hinzukommen, der visuellen Ebene scheint es fast, als steigere sich die Strahlkraft einer derartigen Ideologie noch einmal um ein Vielfaches.

Die Verfilmung von 50 Shades of Grey ist streng genommen nämlich nichts anderes als ein krudes Konstrukt aus Liebesschnulze mit Soap-Elementen, bei dem ein paar klischeehafte Mainstream-Pornofantasien verpackt in haufenweise Hochglanztopoi daherkommen. Es soll ja schließlich auch gewährleistet sein,  dass die brave Zuschauerin (Männer waren im Saal eher die Ausnahme) bloß nicht verstört wird. Schließlich schien es für die meisten schon zu viel, die Peitschen, Flogger und Co. überhaupt nur an der Wand des sagenumwobenen Spielzimmers hängen zu sehen. Das durch den gesamten Saal hinweg laut hallende Gelächter bei jeder dieser Szenen und selbst bei dem kleinsten Anzeichen körperlicher Intimität – ich werte es im Sinne Bachtins jetzt einfach mal als Moment der Distanzierung vom eigenen Unwohlsein – schien das jedenfalls mehr als zu bestätigen.

Doch wenn es nicht um Sex geht, was der Großteil der Kinogänger tatsächlich noch immer glaubt, worum geht es denn eigentlich dann? Vielleicht um Liebe? Leidenschaft? Schön wär´s! Des Pudels Kern ist letzten Endes nämlich nichts anderes, als die Vorstellung von Liebe in Zeiten von Konsum und Kapitalismus. In schöne Bilder verpackt, deren Reinlichkeit einen nach der Hälfte fast schon ankotzt, geht es schlichtweg um das Prinzip des Besitzens. Das Besitzen von Dingen, von Geld, von Macht und schließlich anderer Menschen. Christian ist dabei von Anfang an in der übergeordneten Position. Denn während Anastacia als unerfahrenes Mäuschen mit manchmal leicht dümmlichen Zügen gezeichnet wird, ist er der junge, erfolgreiche Multimilliardär, dem die Frauen zu Füßen liegen. Von Anfang an versorgt er seine Angebetete mit Geschenken, von denen diese bisher maximal geträumt hat und zieht sie so schließlich nach und nach in die Abhängigkeit. Jene Abhängigkeit, die in den vermeintlichen SM-Szenen schließlich ihre direkte Ausgestaltung findet. Gleichzeitig bedient er dabei die absolute Fantasie des Konsumismus par excellence: Er ist die Sehnsucht, die sich scheinbar nie erfüllen lässt. Kaum glaubt Anastacia nämlich dem inneren – natürlich tief verletzten Wesens – dieses doch so holden Ritters, einen Schritt näher gekommen zu sein, entzieht er sich ihr auch schon wieder und lässt sie verstört, einsam zurück. So steht 50 Shades of Grey schließlich für nichts anderes, als das ewige Verzehren, nach etwas, das man ohnehin nicht besitzen kann. Es ist die Hochglanzfanatsie, die die Realität nie zu erfüllen vermag und das macht schließlich auch den großen Reiz, dieses eher inhaltsarmen Epos aus. Es lädt zum Träumen ein, es bedient den eigenen Warenfetischismus, der – da können wir behaupten, was wir wollen – längst allen von uns irgendwie eingeschrieben ist.

Wirkliche Leidenschaft sieht dann aber wohl doch anders aus. Was wir da geboten bekommen ist maximal ein Hauch von Sexualität. Selbst der mit vielfach mit Spannung erwartete SM-Sex kommt am Ende ziemlich brav und angepasst daher. Und so bleibt der Film am Ende nichts weiter als ein hübscher kleiner Clip, geformt nach den Stlistika des Warenästhetischen. Revolutionär befreiende Momente sucht man in 50 Shades of Grey dagegen vergebens. Den einzig reellen Orgasmus dürfte angesichts des Treibens auf der Leinwand wohl der neoliberale Konservatismus haben. Da schaue ich mir doch lieber weiterhin Filme, wie 9 Songs an. Hier geht es zwar manchmal ziemlich dreckig zu, mit Sperma auf Körpern und all solcher Sachen, dafür scheint die Leidenschaft zwischen den Figuren auch um ein Vielfaches authentischer und glaubwürdiger.

Nur eines, muss man 50 Shades of Grey lassen. Wenigstens der Hauptdarsteller, der optisch dann tatsächlich doch ziemlich schmucke war, blieb gegenüber einem Klischee, dem intimen Kahlschlag, bis zum Ende standhaft. Ein Ansatz von Schamhaar in einem großen Mainstream-Blockbuster? Der wahrscheinlich einzig wahre Skandal in diesem Film!